Da mein Vater während meiner Kindheit ständig an irgendwelchen alten Autos (meist den eigenen) geschraubt hat, habe ich Kolben, Motoren, Fahrwerke, Benzin und Öl bereits von Kindesbeinen an geliebt. Folgerichtig habe ich mich für eine HTL-Ausbildung am TGM im Fachbereich Maschinenbau / KFZ-Technik entschlossen und hatte danach auch in diesem Bereich die ersten Jobs – unter anderem 4 Jahre beim ÖAMTC als Prüfer & Pannenfahrer. Im Jahr 1997 war ich auf der Suche nach neuen Herausforderungen und hatte damals eine grandiose Idee: ich wollte als Motorjournalist arbeiten, denn leiwande Autos fahren & drüber schreiben erschien mir eine gute Sache zu sein (und erscheint es mir heute noch, wenn ich drüber nachdenke – nicht zuletzt deshalb existiert drivenews.at). Also verfasste ich einen Text über den Job, den ich bis zum damaligen Zeitpunkt am liebsten gehabt hatte: übers Pannenfahren. Damit habe ich mich damals bei verschiedenen österreichischen Zeitschriften (u.a. bei Alles Auto und der Autorevue) beworben – und dabei ist es leider auch geblieben, denn eingestellt wurde ich bekanntlich nicht.
Ein Jahr danach habe ich mich als Grafiker & Webdesigner selbständig gemacht und dabei ist es jobtechnisch bis heute geblieben, wenn man von kurzen Ausflügen in den Journalismus absieht. Mein Herz schlägt dennoch weiterhin für schnelles Blech & starke Motoren. Beim Aussortieren alter Backup CDs(!) ist mir mein Text von 1997 wieder in die Hände gefallen. Dieser wurde erstmals 2015 auf meinem Weblog veröffentlicht.
Übrigens: meine Dienstzeit als Pannenfahrer liegt genau 20 Jahre zurück!
Menschen in Bewegung:
DER NOTARZT DER BENZINBRÜDER
Der Morgen graut über Wien. Ein Mann in festem Schuhwerk marschiert die Garageneinfahrt nach unten, sperrt sein Auto, einen simplen Subaru Justy, auf, wirft seinen Aktenkoffer, prall gefüllt mit Informationsbroschüren und Formularen auf den Beifahrersitz, den einzig möglichen Platz dafür, und nimmt hinter dem Lenkrad Platz. Das Funkgerät und den Radio einschalten, die Garage verlassen. Das Werkzeug hinten im Auto scheppert fürchterlich, als der gelbe Subaru über die obere Kante der Garageneinfahrt ins beginnende Tageslicht hinausfährt. Als sich das Datenfunkgerät außerhalb der Garage, begleitet von einem unangenehmen Doppelton, ins Netz einklinkt, beginnt der tägliche Dienst auf Wiens Straßen.
Wir sind ja technikverwöhnte Weicheier geworden. In den Anfangsjahren des Autos mußte jeder, der ein Auto über weitere Strecken chauffieren wollte, die gängigsten Defekte und deren Behebung kennen und können, um überhaupt eine Chance zu haben, auch dort anzukommen wo er hinwollte. Autofahren war zu jener Zeit nichts für Technikmuffel, begonnen beim Ankurbeln des Gefährts, weiter über die Bedienung (händische Zundverstellung!, händische Zusatzluftverstellung!, Zentralschmierpresse!, ruppige Lederkonunskupplungen nahezu ohne“Haltepunkt“!), über den Fahrkomfort und die Straßenlage (Blattfedern im besten Fall – oder Reifen, die wir heute für eine Puch Maxi gnadenlos als „zu schmal“ klassifizieren würden) bis hin zu den Serviceintervallen (ja, es gab Zeiten, da waren 5000 km Ölwechselintervall bereits sensationell!). Die Werkzeugkiste auf dem Trittbrett(mit echtem Werkzeug gefüllt, nicht nur mit den merkwürdigen Plastilin-Radmutternschlüsseln, die heute vielen Autos beigepackt sind) war Standard, auch hatte man meist profunderes Wissen um das Innenleben seines Fahrzeuges und um seinen technischen Zustand.
Heute weiß der Durchschnittsbürger weit weniger von seinem Liebling. In der Fahrschule beschränkt man sich technisch ja schon länger auf den Ölmeßstab, den Waschwasserbehälter und ob das Auto ein Benzin- oder Dieselmodell ist, damit der Neuling auch daran denkt, an der Tankstelle den richtigen Saft links hinten ins Gerät zu pumpen. Theoretisch ist es auch nicht mehr wirklich nötig, mehr zu wissen. Serviceintervalle von 15000 km sind keine Seltenheit mehr, es sollte also bei korrekter Wartung auch dazwischen nicht mehr zu gröberen Defekten kommen. Daß dem nicht so ist, sehen wir daran, daß die Einsatzleitung der ÖAMTC – Pannenhilfe Wien in der Breitenleerstrasse selbst an schwachen Tagen mit 5 Telefonistinnen und einem Einsatzleiter besetzt ist, denen den ganzen Tag nicht wirklich fad wird.
Das Funkgerät pfeift laut. Der erste Einsatz für heute. Feßtgasse, gegenüber Brauerei, Golf, Korneuburger Kennzeichen, springt nicht an, Rückruf: 5 Minuten. Franz bestätigt den Einsatz mit einem Tastendruck und teilt der Einsatzleitung mit einem weiteren Druck auf dieselbe Taste auf dem Gerät mit, man möge doch bitte den Kunden anrufen, die Feßtgasse ist ja nicht weit, in fünf Minuten wäre er also beim Auto.
Seit die Pannendienstfahrzeuge mit Datenfunk ausgestattet sind, ist es im Auto ruhiger geworden, die früher oft hektische Betriebsamkeit am Sprachfunk geht zwar etwas ab, auch weil man nun nicht mehr direkt mitkriegt, wo „die anderen“ unterwegs sind. Dafür erspart man sich das oft sehr lange Warten am Funk, bis man „seinen“ Einsatz angesagt bekommt (es sind ja auch noch etwa bis zu 25 Kollegen am selben Kanal auf Sendung !), auch muß man dadurch nicht mehr während der Fahrt die Einsatzdaten aufschreiben, da alles, was die Einsatzleitung darüber weiß, auf dem LED-Display des Datenfunkgerätes erscheint und die gängigsten Antworten (Einsatz annehmen/ablehnen, bitte Kunde anrufen, Einsatz positiv/negativ erledigt und viele mehr) per Tastendruck an die Einsatzleitung übermittelt werden können. Um aber die nunmehr relative Ruhe im Fahrzeug auszugleichen, wurde jedem Pannenfahrzeug von der Clubleitung zu Weihnachten vor 2 Jahren ein Radio spendiert.
Franz biegt in die Feßtgasse ein, da vorne sieht er bereits das defekte Fahrzeug, die Motorhaube ist offen, der Fahrer winkt bereits überdeutlich. Heute regnet oder schneit es nicht, sonst wäre die offene Motorhaube womöglich keine so richtig gute Idee gewesen. „Was sollst Du bei einem Auto, das vielleicht mit Starthilfe angesprungen wäre, und wenn Du hinkommst, ist der ganze Motorraum bereits tief verschneit und waschlnass – das springt an dem Tag sicher nicht mehr an.“ Auch ist die Suche nach dem richtigen Auto oft etwas beschwerlich, wenn das Auto am Straßenrand unter Dutzenden anderen steht, man weiß kein Kennzeichen und der Kunde winkt nicht, sondern steht nur ziemlich teilnahmslos am Gehsteig (ja, das kommt auch vor!). Hier ist es also soweit optimal, wenn man noch einigermaßen vernünftig stehenbleiben könnte. Straßenbahngleise verlaufen direkt neben der Parkspur, zweite Spur fällt also, bei längerem Halt, sicher aus. Doch gottseidank parkt gerade vor dem Golf ein Auto aus. Einparken, Drehleuchte einschalten, Heckklappe entriegeln. Der Mann ist stinksauer auf sein Auto, er hat bereits eine Beule in einen Kotflügel getreten und klagt unserem Franz sein Leid. Das Gespräch mit dem Mitglied ist extrem wichtig, da man oft schon aus der Beschreibung des Defekts, selbst von einem „Laien“, auf die Ursache schließen kann. „Gestern am Abend beim Heimfahren ist das Radio ausgefallen und die Scheibenwischer gingen nur ganz langsam. Heute in der Früh ist er nicht mehr angesprungen“ – das klingt nach einer defekten Lichtmaschine. Und tatsächlich – Startkabel angesteckt, das Auto springt ohne Problem an. Sowie man jedoch die Startkabel abnimmt, stirbt der Golf kurz darauf ab. Beim Nachmessen der Ladung mit einer Strommeßzange ist es Gewißheit – die Lichtmaschine ist defekt. Franz stellt den Golf ab, kramt kurz in seiner Materialkiste, zaubert einen Lichtmaschinenregler hervor und baut ihn ein. Das war´s – das Auto funktioniert wieder. Franz kassiert die Kosten für den Regler, steigt wieder in seinen Subaru und meldet mit einem weiteren Druck aufs Funkgerät „Einsatz erledigt“.
Die Ausrüstung eines Pannenfahrzeuges besteht aus einer tragbaren Werkzeugkiste mit gängigem Handwerkzeug wie Gabel- und Ringschlüsseln, diversen Zangen, Schraubenziehern, Hammer, Spezialschlüsseln und vielem mehr. Ein Rangierwagenheber, zwei Radkreuze, eine Arbeitslampe, Kontakt- und Starthilfespray, ein Digitalmeßgerät, eine Strommeßzange (die oft gerne in Motorräumen, am Lichtmaschinenkabel hängend, vergessen wird), eine Garnitur Startkabel (die an eine eigene 12V-Steckdose entweder hinten oder auch vorne am Auto angesteckt werden, nicht direkt auf die Batterie des Pannenfahrzeuges), sowie diverses „Aufsperrwerkzeug“ komplettieren die Grundausrüstung des Pannenwagens, die nach dem Gutdünken des Pannenfahrers weiter aufgestockt wird. Vieles an Improvisationsmaterial kann im Notfall sehr nützlich sein, wie Kabeln, Stecker, Sicherungen, Universalrelais, die erwähnten Lichtmaschinenregler, Zündkerzen, Zündkabel, Unterbrecherkontakte, Zündspulen, Kabelbinder, Benzinschläuche, Schlauchbinder und vieles mehr.
Das Auto selbst wird in der Hauswerkstätte am Stützpunkt Schwechat zum Pannenwagen umgerüstet. Beim Subaru verbleiben zum Beispiel nur die beiden vorderen Sitze im Fahrzeug, anstatt der Rückbank wird ein Holzboden und darauf ein großes Holzkastl eingebaut. Darin befindet sich nicht nur ein Ladenschrank für Kleinmaterial, sondern auch eine gewaltige zweite Batterie, die einem LKW Ehre machen würde. Das ist notwendig, damit auch für größere Fahrzeuge, ja sogar für LKW (dort allerdings dann mit 24 Volt), genügend Starthilfestrom entnommen werden kann. Daneben befindet sich eine Halterung für drei Spritkanister, damit auch der einfachste Pannenfall kein Problem darstellt. Vorne und hinten ans Fahrzeug kommt je eine Stromsteckdose für die Startkabel, dafür werden daumendicke Kabel durchs ganze Auto gezogen. Hinten im Kofferraum ist ein Umschalter, mit dem man entweder 12 oder 24 Volt an diese Steckdosen leiten kann.
Nahezu jedes Automodell ist schon einmal im Pannendienst eingesetzt gewesen, wenn auch teilweise nur kurz. Es wird sogar von einem Mini und einem R4 gemunkelt, die bereits Pannenfahrzeuge waren. Begonnen hatte man in den 50er-Jahren mit Beiwagenmotorrädern und dem Puch 500. Heute sind hauptsächlich VW Golf (II und III Variant), Peugeot 205 und 306, Subaru Justy 4WD, Fiat, Toyota Corolla 4WD Kombi und Toyota Corolla Hatchback im Einsatz, wobei jedes Auto seine Vor- und Nachteile im Einsatz mitbringt. Jeder Pannenfahrer hat „sein eigenes“ Auto, mit dem normalerweise kein Kollege fährt, das hat den Vorteil, dass jeder sich sein Auto optimal einrichten kann, ohne ständig sein Material ein- und ausräumen zu müssen. Auch ist jeder einzelne dadurch direkt für das Auto und das enthaltene Werkzeug verantwortlich, wodurch auch jeder „sein“ Auto entsprechend pflegt.
Der Dienst auf der Straße ist oft mühselig und hart, viele der Pannenfahrer haben nach Jahrzehnten des Dienstes mit starken körperlichen Abnützungserscheinungen zu kämpfen. Die Arbeit im Freien bei jeder Witterung (je schlechter das Wetter, desto mehr Arbeit !), der ständige Kontakt mit Abgasen, Benzin und Öl und das ständige Im-Auto-Sitzen sind der Gesundheit auf lange Sicht nicht wirklich zuträglich. Die Dienstzeiten sind nicht sehr familienfreundlich, wer beginnt, startet im Nachtdienst, erst nach längerer Zugehörigkeit steigt man auf Teiltagdienst (z.B. 10 bis 21 Uhr) um, nach etlichen Jahren kann man hoffen, im reinen Tageinsatz zu fahren, wobei auch dann Wochenenden nur laut dem Dienstplan stattfinden und mit Samstag und Sonntag oft nicht zusammenfallen. Wer hier länger bleibt, ist wahrlich ein Idealist.
Der zweite Einsatz des Tages: eine junge Frau hat ihren Schlüssel im Auto eingesperrt. Meist liegen Schlüssel hinten am Rücksitz, wenn man versucht hat, sich das Zusperren mit dem Schlüssel von außen zu sparen, weil man etwa seine Einkäufe vom Rücksitz nimmt, dann ja keine Hand mehr freihätte, somit also durch die hintere Tür vorgreift, die Fahrertür mit dem Verriegelungsknopf zusperrt, den Einkaufskorb vom Rücksitz nimmt, bei dieser Übung den Schlüssel noch in der Hand hält und fallenlässt, hinten zusperrt, die hintere Tür mit dem Fuß zutritt, weil man ja die Hände voll hat und dann vor der Wohnungstüre in eifriges Grübeln verfällt, wo denn der sch.. Schlüssel… So war es auch hier. Eine gründliche Ausweiskontrolle, ob denn das Auto auch der Dame gehört, einige Momente später ist der Schlüssel befreit. Die Erfahrung hilft hier weiter, denn vor kaum einer versperrten Autotür muß ein Pannenfahrer kapitulieren. Obwohl, es wird schwieriger, manche Autos sind bereits recht gut gesichert, „die kannst fast nur mehr aufflexen oder a Seitenfenster einschlagen“, oft ist es aber dann auch nur mehr mit Gewalt möglich, seinen Schlüssel im Auto zu vergessen.
Nächster Einsatzort ist die Südosttangente, ein Audi ist stehengeblieben und springt nicht mehr an. Franz fährt in Altmannsdorf auf die A23 auf, der Verkehr ist zäh, aber ein Stück weiter ist der Audi bereits in Sicht, er steht in der linken Spur. Franz manövriert den Justy vor das defekte Auto, dreht die gelbe Drehleuchte auf und springt, bereits mit einem Abschleppseil bewaffnet, aus seinem Wagen. Innerhalb weniger Sekunden ist der Wagen ins Schlepptau genommen. Beim Verteilerkreis verlassen sie die Autobahn, Franz sucht auf der Favoritenstrasse einen Platz am Strassenrand, um den Fehler bequem suchen zu können, denn Fehlersuche und Fehlerbehebung auf der Stadtautobahn gehört sicher zu den gruseligsten Dingen, die man erleben kann. Lkws fahren nur zentimeterweit entfernt mit vollem Tempo vorbei. Manch einer sieht das Verkehrshindernis erst viel zu spät und schafft es gerade noch, auszuweichen. Daher ist es das Beste, das betreffende Fahrzeug erst einmal von der Autobahn runterzubringen, alles andere ist lebensgefährlich, wenn auch manchmal nicht zu vermeiden (z.B. wenn ein LKW liegenbleibt…). Kein Job für zartbesaitete Naturen !
Beim Audi ist nach kurzem Blick in den Schaltplan und nach einigen Messungen mit dem Multimeter klar, daß das Relais der Benzinpumpe keinen Strom bekommt. Mit einem Stück Kabel überbrückt Franz das Relais provisorisch und empfiehlt, sofort eine Werkstätte aufzusuchen. OK, wenigstens mit dem eigenen Auto.
Die Erfolgsbilanz der „gelben Engel“ läßt sich durchaus sehen. 92% der liegengebliebenen Fahrzeuge können aus eigener Kraft weiterfahren, meist auf Dauer, manchmal nur bis zur nächsten Werkstatt. Dafür ist zu einem wesentlichen Teil die gute interne Schulung verantwortlich, die den Pannenhelfern zuteil wird. Mehrmals pro Jahr werden Neuerungen bei einzelnen Automarken in eintägigen Kursen besprochen, wobei der Importeur bereits vorweg der Schulungsabteilung des Clubs ein oder mehrere Autos zu Prüf- und Testzwecken leihweise überlässt und auch mit Schaltplänen und schlauen Tipps zum betreffenden Modell nicht hinterm Berg hält, da es auch fürs Image der Marke wichtig ist, dass Hilfe durch einen Pannendienst möglich ist. Durch den zunehmenden Einsatz von elektronischen Bauteilen wurde die Fehlersuche zwar weitaus komplexer, ist aber durch einheitlich gestaltete Schaltpläne und Datenblätter für nahezu jedes Auto, die in Zusammenarbeit mit anderen Automobilclubs erstellt werden, auch heute noch relativ einfach machbar.
Franz macht sich auf den Weg auf die Laxenburger Straße. Dort steht beim Möbelhaus ein Opel, der nach einem grausamen Krach stehengeblieben und nicht mehr angesprungen war. Nachdem Franz das eigentümliche Startgeräusch gehört hat, öffnet er den Öleinfülldeckel und muss feststellen, dass sich die Ventilkipphebel nicht mehr bewegen. Zahnriemenriss – hier hilft nur noch die Werkstatt. Franz schleppt das Auto dorthin ab.
Eine Panne, ist, laut interner Definition, ein Schaden am Fahrzeug, der mit einfachen Hilfsmitteln in etwa 15 Minuten behoben werden kann. Jeder Pannenfahrer muss selbst entscheiden, welche Defekte er voraussichtlich innerhalb dieser Zeit finden und beheben kann und in welchen Fällen er das defekte Fahrzeug in eine Werkstätte schleppt oder schleppen lässt. Auch hängt das klarerweise vom mitgeführten Material ab, manch einer hat jede gängige Zündkerze mit, dafür zum Beispiel keinen einzigen Keilriemen oder auch umgekehrt. Es werden zwar manche Dinge empfohlen, die man mithaben sollte (z.B. Autobatterien aus dem Stützpunktshop in 3 Größen), vorgeschrieben wird nur das Bordwerkzeug. Bewährt hat sich ein Kleinmaterialkoffer, in den man alle Dinge packt, die einem beim Rundgang in einem guten Autozubehörshop für den Job schlau erscheinen. Nur kann man ohne weiteres auf diese Art mehrere tausend Schilling in Material investieren und hat dann unter Umständen im Einzelfall trotzdem nicht alles, was benötigt wird, daher kann man schon etwas Selbstbeschränkung üben.
Franz hat an diesem Tag etwas weniger zu tun, es ist heute nicht viel los und das Wetter ist gut. Einige Starthilfen, nachdem die ganze Nacht über das Licht gebrannt hatte, zweimal Aufsperren, eine defekte Benzinpumpe, ein undichter Benzinschlauch (bei dessen Tausch ihm etwa 3 Liter Benzin in den Ärmel geronnen waren), und eine Reifenpanne am 2CV einer Studentin, die ihm danach vor Freude fast um den Hals gefallen wäre, das wars für heute. Er fährt in die Garage ein, wieder scheppert das Werkzeug im Auto ganz erbärmlich, er schaltet den Funk aus und verschwindet im Umkleideraum. Jetzt nur heim zu seiner Familie.
Zu Winterbeginn, wenn die erste Kälte die Nächte so richtig ungemütlich gemacht hat, ist Hochsaison für denn Pannendienst. Die Einsatzleitung ist prall gefüllt mit etwa 25 Telefonisten und Telefonistinnen, die extra dafür aus anderen Abteilungen abgezogen werden bzw. eigentlich frei hätten. Zwei Einsatzleiter teilen sich die Arbeit auf den riesigen Computerbildschirmen und versorgen die Pannenfahrer mit (nicht wenig) Arbeit. Eisstoß wird diese Zeit genannt. Jeder, der irgendwie, irgendwann Pannenfahren beim Club gelernt hat – auch Schulungsleiter, Turnusführer, Stützpunkttechniker – sitzt im Auto und hilft mit, die Unmenge an Einsätzen (meist Starthilfen), die nach derartigen Frostnächten auf den Pannendienst warten, zu bewältigen. Hier zeigt sich, wer der Härte des Jobs gewachsen ist, denn an solchen Tagen fährt kaum jemand unter 30 Einsätzen am Tag nach Hause. Es wird bis zur Erschöpfung gearbeitet, diese Tage sind die wildesten im ganzen Jahr.
Franz ist jetzt 15 Jahre Pannenfahrer. Er hat in dieser Zeit bei knapp 50 000 Pannen geholfen und etwa 300 000 km im Dienste seiner Mitmenschen zurückgelegt.